BBV-Dorfreise: Stenern

BBV-Dorfreise: Zu Besuch in Bocholts zweitgrößtem Stadtteil

Geschichten aus dem Bocholter Stadtteil Stenern

von Stefan Prinz, 31. März 2022

Die heutige BBV-Dorfreise führt in den Bocholter Stadtteil Stenern.

© Sven Betz

BBV-Dorfreise: Zu Besuch in Bocholts zweitgrößtem Stadtteil

Steneraner stehen zusammen: Klaus Mertens, Dirk Ratering, Jürgen Lösing und Berthold Terodde (von links).

 

Stenern: „Zeit der Klopperei ist vorbei

Das Zusammengehörigkeitsgefühl im Ort ist stark. Rivalitäten gab es früher mit Barlo.

Das Gemeinschaftsgefühl wird in Stenern ganz groß geschrieben. Wir helfen uns untereinander“, betont Jürgen Lösing, Präsident der altehrwürdigen Schützengilde St. Hubertus Stenern. Die 488 Mitglieder des Schützenvereins nutzen für Versammlungen regelmäßig die Vereinsräume der DJK TuS Stenern am Hünting. „Das ist praktisch, denn wir haben keine eigenen Vereinsräume“, so Lösing. Dieses freundschaftliche Miteinander der beiden großen Stenern-Vereine ist bezeichnend für das Miteinander im Stadtteil. Zusammengehalten haben die Steneraner eigentlich schon immer. Rivalitäten gab es in früheren Jahrzehnten aber durchaus mit Barlo oder Hemden, weiß Dirk Ratering, der zu den Aktivposten der DJK gehört. Regelmäßig kam es damals auch mal zu handfesten Auseinandersetzungen zwischen den Männern der Orte. „Die Zeiten der Kloppereien in Stenern sind aber vorbei“ schmunzelt Berthold Terodde. Stenern ist in den vergangenen Jahrzehnten stark gewachsen, viele Auswärtige sind dort heimisch geworden. „Innerhalb von Bocholt fühlen wir uns aber als Steneraner“, so Ratering. „Außerhalb sagen wir, dass wir aus Bocholt kommen.“

Seit 36 Jahren gibt es fast nur noch Steneraner in der Region. Denn seit das neue Krankenhaus 1986 in dem Stadtteil gebaut wurde, sind alle Neugeborenen eben Steneraner. Die Zeichen stehen für den Ort weiterhin auf Wachstum. Dafür sorgen die Neubaugebiete, von denen Stenern überdurchschnittlich viele vorweisen kann.

Janne Nachtigall mistet für Ganieus in Stenern aus

Aus Liebe zu ihrem Pferd macht sie das jeden Tag.

Stenern ist so attraktiv, dass es selbst die Barloer in den Nachbarstadtteil zieht. Die beeindruckende Anlage des Reit- und Fahrvereins Barlo-Bocholt liegt nämlich auf Steneraner Gebiet. Reiten und Pferde stehen hier ganz hoch im Kurs: Der Reit- und Fahrverein Barlo-Bocholt e. V. ist einer der mitgliederstärksten Vereine im Provinzialverband Westfalen. Eins dieser Mitglieder ist Janne Nachtigall. Die Bocholterin kommt jeden Tag in die Anlage, um vor dem Beginn ihres Arbeitstages den Stall ihres Ganieus auszumisten. „Ja, ich mache das wirklich jeden Tag“, schmunzelt die junge Frau. „Wenn man das täglich macht, dann ist die Arbeit leichter. Weil nicht so viel Mist anfällt.“ Anschließend wird Ganieus dann noch bewegt. „Das gehört natürlich dazu“, sagt sie. Woher der ungewöhnliche Pferdename kommt? „So ganz genau weiß ich es auch nicht, es ist auf jeden Fall holländisch.“

Auf der großzügigen Anlage hat es das Reitpferd mit dem holländischen Namen jedenfalls gut: Es gibt drei Reithallen, Dressur-, Spring- und Vielseitigkeitsaußenplätzen. Diese Anlage leistet einen Beitrag dazu, dass Pferdesport in Stenern und Barlo so hoch im Kurs steht.

Für Teroddes ist das Familiengeschichte

Der Schützenkönig von Stenern ist an einem Schützenfest geboren und heißt deshalb Hubertus.

Der Familienname Terodde gehört zu Bocholt wie die Aa. „Und irgendwie sind die auch alle miteinander verwandt“, schmunzelt Berthold Terodde. Er ist ein waschechter Steneraner und Schriftführer der traditionsreichen Schützengilde St. Hubertus. Die Teroddes haben sogar einen Bezug zum einzigen Restaurant des Stadtteils. Bis vor Kurzem war das Lokal als Gasthaus Roddemann allen Bocholtern ein Begriff. Dann wechselten die Eigentümer. Heute ist das Haus im Ellerbock unter dem Namen „Marija“ zu finden. „Der frühere Gastwirt ist ein Cousin meines Vaters“, sagt Berthold Terodde. Früher gab es da Bier und Erdnüsse – heute ist die Auswahl an Speisen deutlich größer.

Übrigens: Der aktuelle Schützenkönig der Schützengilde St. Hubertus heißt Hubertus Terodde und wurde an einem Schützenfest geboren. Ernsthaft! Für seinen Vater war das damals ein Fingerzeig des Schicksals, sodass er seinem Sohn den Namen Hubertus gab. Schützenkönig Hubertus wird in den Geschichtsbüchern des fast 400 Jahre alten Vereins unvergessen bleiben. Denn wegen Corona und der ausgefallenen Schützenfeste amtiert er bereits im dritten Jahr. Absolut rekordverdächtig!

© Sven Betz

BBV-Dorfreise: Zu Besuch in Bocholts zweitgrößtem Stadtteil

Dirk Nienhaus bei seinen neuen Duroc-Schweinen.

 

Duroc-Schweine haben in Stenern neues Zuhause

Dirk Nienhaus ist mit seinen Bocholter Landschweinen weit über die Grenzen von Bocholt bekannt. Natürlich hat der Landwirt seinen Betrieb in Stenern. Vor wenigen Tagen hat Nienhaus eine ganz neue Rasse in seinen Betrieb eingeführt: das Duroc-Schwein. Es ist eine alte Hausschwein-Rasse, die bis zu 350 Kilo schwer werden kann. Die Erkennungsmerkmale der Duroc-Schweine sind ein rot-braunes bis gelbes Fell, ein muskuläres Erscheinungsbild und herunterhängende Ohren. Sie gelten als sehr zutraulich und ihr Fleisch als wohlschmeckend.

„Das Fleisch ist sehr schön marmoriert“, weiß Landwirt Dirk Nienhaus. Damit eigne es sich ganz besonders zum Grillen. Derzeit befinden sich zwar erst zwei Tiere dieser Rasse auf seinem Hof. Aber es sollen mehr werden. Denn die beiden weiblichen Tiere erwarten demnächst Nachwuchs. „Mal sehen, was dann daraus wird“, sagt der Landwirt erwartungsfroh.

Bunte Ostereier

Ostern steht vor der Tür: Damit auch die Steneraner mit ausreichend bunten, frischen Ostereiern versorgt werden, fährt Frank Loskamp vom gleichnamigen Dingdener Hofladen derzeit mit seinem Lieferwagen durch Stenern und versorgt die Bewohner des Bocholter Stadtteils mit den Eiern aus seinem Hofladen – gewissermaßen als Helfer des Osterhasen.

 

Mit 11 Höfen fing alles an

Die Bauernschaft Stenern ist im Jahr 1243 erstmals als „Stenhorn“ erwähnt und gehörte zu den kleinsten Bauernschaften im Kirchspiel Bocholt. 1662 zählte man 11 Höfe mit 77 Einwohnern. In der Anfangszeit gab es drei sogenannte Höke: den Bockstadshook, den Kortenhornshook und Tangerdingshook. Der älteste Verein des Ortes, die Schützengilde St. Hubertus, geht mit ihrem Gründungsjahr 1636 bis in diese Zeit zurück. Das Gründungsjahr fällt in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges, der von 1618 bis 1648 tobte.

© Sven Betz

BBV-Dorfreise: Zu Besuch in Bocholts zweitgrößtem Stadtteil

Ziegenschutz: Hans (links) und Peter beschützen die Steneraner Hühner.

 

Diese Ziegen beschützen Hühner

Seit Hans und Peter aufpassen, hat es der Habicht schwer

Hans und Peter sind in Stenern die Beschützer von 300 freilaufenden Hühnern auf dem Hof von Dirk Nienhaus. „Wir haben hier ein echtes Problem mit dem Habicht“, weiß der Hofeigentümer. Der Raubvogel fliegt regelmäßig den Auslauf der Tiere an, um eins davon zu erbeuten. Seit Hans und Peter mit im Auslauf sind, ist die Zahl der Habicht-Attacken allerdings deutlich zurückgegangen. „Die Ziegen sind einfach immer in Bewegung, das verunsichert den Habicht.“ Mit der Folge, dass er von den Nienhaus-Hühnern seine Krallen lässt. Wer probieren will, wie die Nienhaus-Eier unter Ziegenschutz schmecken, kann das machen: An der Hofeinfahrt an der Winterswijker Straße steht ein Häuschen für den Eierverkauf.

DJK feuert auch Schalke 04 an

Mit seinen mehr als 800 Mitgliedern ist die DJK TuS Stenern der größte Verein im Stadtteil. Auf der Bandenwerbung am Platz machen sogar Schalke-Fanclubs – hier Klaus Mertens – auf sich aufmerksam. Demnächst soll dort auch ein Fanclub von Borussia Mönchengladbach werben dürfen. Toleranz wird beim DJK eben groß geschrieben.

 

Tangerdings wollen wieder Bier in Stenern brauen

Isabel Tangerding möchte Familientradition beleben.

Tangerding-Bier aus Stenern ist bei Generationen Münsterländern ein Begriff für gutes Bier. Das letzte Fass wurde in der Brauerei allerdings schon vor 41 Jahren abgefüllt. „Mein Vater hat 1981 die Brauerei aufgegeben“, erinnert sich Isabel Tangerding, die heute den Landwirtschaftsbetrieb der Familie führt. Die beeindruckende Ruine des alten Brauhauses von 1896 erinnert an die Zeit, als dort die Bierfässer vom Hof rollten. „Wir würden den Brauereibetrieb schon gerne wieder aufnehmen“, sagt sie. Corona hatte die Pläne der Familie erstmal gestoppt. „Aber wir bleiben dran“, betont die junge Frau schmunzelnd. Angefangen hat das Bierbrauen bei Tangerdings ganz klein für die eigenen Erntehelfer auf dem Feld. Dann wurde für die Nachbarn mitgebraut und irgendwann wurde daraus eine stattliche Brauerei.

© Sven Betz

Meister seines Fachs: David Groß-Weege ist Friseurmeister in Stenern.

 

Seit 43 Jahren gibt es bei David Groß-Weege den Stenern-Schnitt

Friseurmeister in der dritten Generation ist eine Institution im Stadtteil.

Wer wissen möchte, welche Frisuren die Steneraner bevorzugen, der sollte den Friseursalon von David Groß-Weege im Steneraner Zentrum besuchen. Der Friseurmeister sorgt seit 1979 dafür, dass die Steneraner zu den am besten frisierten Bocholtern gehören.

Und welcher Haarschnitt ist in Stenern besonders gefragt? „Das kann man gar nicht so genau sagen“, runzelt David Groß-Weege die Stirn. „Derzeit sind eher Kurzhaarfrisuren im Trend“, weiß der Haarspezialist. Das war aber auch in Stenern in den 1970er- und 1980er-Jahren noch ganz anders. Damals stand Dauerwelle hoch im Kurs. „Ich habe noch immer einige Kunden mit einer Thomas-Gottschalk-Frisur“, freut sich der Meister. Das zeigt: Die Haarmode ist in Stenern genau wie die dessen Bewohner: sehr tolerant. David Groß-Weege ist nicht der erste Friseur in seiner Familie. „Ich mache das bereits in der dritten Generation“, sagt er sichtlich stolz.

Verrückte Hausnummer

Wer vor 1960 in Stenern ein ganz bestimmtes Haus suchte, der hatte es nicht leicht: „Früher waren die Höfe durchnummeriert,“ weiß Franz te Laar. Er ist gebürtiger Steneraner und ein Kenner seiner Heimat. Hostelle Nummer 1 stand zum Beispiel dort, wie heute der Kindergarten Str. Martin steht. Wer allerdings denkt, dass die Hofstelle Nummer 2 in der Nachbarschaft zu suchen sei, der hat sich geirrt. „Das war auf der anderen Seite von Stenern.“ Dieses Nummern-Wirrwarr wurde in den 1960er-Jahren behoben. Die Straßenbezeichnungen wurden geändert und viele Straßen wurden unbenannt.

Der zweitgrößte Stadtteil

Am 1. Januar 1975 wurde Stenern schleißlich in die Stadt Bocholt eingegliedert. Davor war Stenern eine eigenständige Gemeinde im Amt Liedern-Werth gewesen. Hinter Biemenhorst ist Stenern nach Einwohnern der zweitgrößte Stadtteil Bocholts. Rund 4500 Menschen leben zwischen der Innenstadt und dem Holtwicker Bach vornehmlich in Einfamilien- und Doppelhäusern. Nur vereinzelt sind Mehrfamilienhäuser errichtet worden. Das noch unbebaute Areal am Barloer Weg wird in den nächsten Jahren durch eine große Wohnsiedlung und das Nahversorgungszentrum Stenern/Giethorst neu gestaltet. Zudem ist hier eine Erweiterungsfläche für das städtische Krankenhaus vorgesehen.